Kommentar: Wagenknechts vergeblicher Feldzug für den Verbrenner

Sahra Wagenknecht wünscht sich zur Rettung der Industrie eine "neue Generation sparsamer Verbrenner" – und reitet damit ein todgeweihtes Pferd.

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(Bild: BMW)

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Inhaltsverzeichnis

Einerseits ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) neu in der Parteienlandschaft und muss sich seinen Platz noch suchen. Andererseits steht an der Spitze keine Anfängerin, sondern eine Frau mit weitreichender Erfahrung in diesem Geschäft. Wie man Aufmerksamkeit erzeugt, muss man Sahra Wagenknecht also ganz gewiss nicht erklären. Meisterhaft fährt sie einen Kurs vor allem gegen die Grünen. Das ist legitim. Nur sollte sie dabei aufpassen, nicht ins Absurde abzudriften. In der Debatte um das Ende des Verbrennungsmotors droht allerdings genau das.

Nach zähen Verhandlungen hat man sich in der EU darauf verständigt, dass Neuwagen ab 2035 lokal kein CO₂ mehr ausstoßen sollen. Ausnahmen soll es für eFuels, also synthetische Kraftstoffe geben. Die EU unternimmt damit den Versuch, einen der großen CO₂-Emittenten einzudämmen. Wichtig sind dabei zwei Dinge: Wie eine lokale CO₂-Freiheit erreicht wird, bleibt der Industrie überlassen. Außerdem gibt es ab 2026 alle zwei Jahre eine Überprüfung der beschlossenen Regelung. Es kann also durchaus sein, dass das faktische Ende konventioneller Verbrenner im Detail noch einmal aufgelockert wird. Dass es ganz gekippt wird, ist unwahrscheinlich.

Wer dagegen wettert, sollte bedenken, dass solche Fragen nicht anhand von eigenen Befindlichkeiten entschieden werden, so bitter das für in lokalen Grenzen denkende Menschen auch sein mag. Die Branche ist weltweit absehbar in einer gewaltigen Transformation, und die hält niemand mehr auf. Aufs und Abs bei den Zulassungszahlen innerhalb der Länder gehören zu einem solchen Prozess.

Sahra Wagenknecht, gewohnt sicher im Auftreten auch auf argumentativ schwankendem Boden, will mit ihrem Feldzug für den Erhalt des Verbrenners nun jene einfangen, die das nicht wahrhaben wollen. Seit Wochen sucht sie Aufmerksamkeit mit der These, das Ende des Verbrennungsmotors sei für Deutschland die größte industriepolitische Fehlentscheidung der letzten Jahrzehnte. "Es wäre unentschuldbar, diese Industrie kaputtzumachen", meint Wagenknecht. Sie plädiert mit vorgetragener Ernsthaftigkeit dafür, eine neue Generation von besonders sparsamen Verbrennungsmotoren auf den Weg zu bringen.

Die, vermutlich nur vorläufige, Spitze dieser Vorstellung ist die Idee, im Bundestag über ein Ende des Verbrenners abzustimmen. Es bleibt einigermaßen rätselhaft, was daraus werden soll. Zum einen ist der in der EU gefundene Kompromiss auf allen Ebenen durch. Selbst wenn sich eine Mehrheit im Bundestag fände: Was sollte damit auf regulatorischer Ebene erreicht werden? Ich würde Frau Wagenknecht nicht den Glauben unterstellen wollen, dass sich mit einer solchen Abstimmung die globale Industriepolitik plötzlich neu ausrichtet. Ihre Beweggründe dürfte weitaus enger definiert sein und darauf abzielen, Wähler einzusammeln, die sich mit den Hintergründen noch nicht näher beschäftigt haben oder dies grundsätzlich ablehnen.

Doch bis zur für 2026 geplanten Überprüfung wird an dem so schwer errungenen Kompromiss in der EU ohnehin nichts mehr verändert. Die Industrie wird weiter reichlich Geld ausgeben, um das Elektroauto massenkompatibel zu machen. Keineswegs sollte das nur auf die Technik bezogen werden. Viel Arbeit gibt es auch bei der gesellschaftlichen Akzeptanz noch zu erledigen. Zumal sich einige Mythen erstaunlich hartnäckig halten. Der professorale Schmalsinn, E-Autos einfach als "zusätzliche Verbraucher" zu definieren, für die dann exklusiv "Kohlekraftwerke hochgefahren" werden würden, gehört dazu.

Sahra Wagenknecht dürfte es besser wissen oder hätte zumindest die Möglichkeit dazu. Ihr dürfte bewusst sein, dass der Vorschlag, die Industrie zur Entwicklung einer "neuen Generation besonders sparsamer Verbrenner" zu bewegen, ziemlich chancenlos ist. Wer sollte sie entwickeln? Marktführer Volkswagen hat sich längst entschieden, dies keinesfalls zu tun. Der riesige Stellantis-Konzern bringt gerade eine neue Generation von Elektroautos auf den Markt, die deutlich weniger teuer ist als die vorherige. Auch von dort wird es keine bahnbrechenden Spritsparmodelle mehr geben. Und schließlich: Welche relevante Zielgruppe, die Wert auf einen geringen Verbrauch legt, soll angesichts steigender Spritpreise frische Verbrenner kaufen? All diese ganzen Überlegungen können außerdem nicht ohne einen Blick auf China beantwortet werden. Die jährlichen Absatzzahlen liegen dort mehr als doppelt so hoch wie in der gesamten EU.

Wenn Wagenknecht den Erhalt der Autoindustrie in Deutschland mit einem Weiterleben des Verbrennungsmotors im Pkw verbindet, blendet sie aus, dass in China dieser Antrieb in den Planungen praktisch keine Rolle mehr spielt. Daran ändert auch Chinas Plan nichts, neue Verbrenner bis 2060 zuzulassen. In einer Ein-Parteien-Umgebung kann man das gegebenenfalls sehr rasch wieder kippen. Auch von der zum Jahreswechsel in China veröffentlichten "Roadmap for the Automobile Industry 1.0" sollte sich niemand blenden lassen. Dort plädiert man für einen pragmatischen, technologieoffenen Ansatz zur CO₂-Reduzierung. Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe und Hybridantriebe werden in diesem Papier als Alternativen zum E-Antrieb genannt.

Doch auch in China weiß man, dass solche Fragen am Ende vor allem über die Kosten entschieden werden. In dieser Hinsicht droht dem batterieelektrischen Antrieb absehbar keine ernsthafte Konkurrenz. Er fährt mit einem vergleichsweise geringen Energiebedarf, und Energie gibt es nirgendwo auf der Welt geschenkt. Wind und Sonne mögen keine Rechnung stellen, die Betreiber von PV- und Windkraftanlagen aber sehr wohl – und alle anderen Stromlieferanten erst recht. Synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff haben einen enormen Strombedarf in der Vorkette.

Chinas Weg der Technologieoffenheit bedeutet, dass die Kommunistische Partei alle Fäden in der Hand behalten will. Welcher Antrieb in der Breite dominieren wird, zeigt die Gewichtung in der "Roadmap for the Automobile Industry 1.0": In dem Papier geht es praktisch nur um die Entwicklung des batterieelektrischen Antriebs. Die Alternativen werden am Rande erwähnt. Wäre in der europäischen Autoindustrie jemand bereit, sich den Vorstellungen von Frau Wagenknecht und ihrer "neuen Generation von sparsamen Verbrennern" anzuschließen, hätte er nicht sein Fortbestehen gesichert, sondern sein sicheres Ende eingeläutet. Es ist absehbar, dass die Zulassungszahlen von Autos mit Verbrennungsmotoren mittelfristig global sinken werden.

(mfz)